'Die Behandlung von Krebserkrankungen mit klassischer Homöopathie'
Unter
diesem Titel fand am 12. November 2014 ein Vortrag statt, der von einem
homöopathisch arbeitenden Arzt in seiner Freiburger Praxis gehalten
wurde. Schätzungsweise 40 bis 45 Gäste fanden sich ein, darunter
auch zwei Mitglieder der Freiburger GWUP-Gruppe.
Die Gäste waren in der Mehrzahl Frauen, das Alter der Besucher lag
zumeist zwischen etwa 35 und 60 Jahren. Inwieweit es sich bei den
Besuchern um Betroffene handelt, ist schwer zu sagen.
Der ganze Vortrag war sicher als eine Werbung für die Praxis gedacht, weniger als eine Information über die Homöopathie an sich.
Die Behandlungsweise wurde sehr detailliert beschrieben. Diese Einzelheiten
sind hier nicht interessant, es genügt hier, dass man sich auf die
Clinica Santa Croce beruft, deren Gründer und Leiter, Dario Spinedi,
sein Wissen in direkter Linie von Samuel Hahnemann himself bezogen
hat. Kein Witz! Das wurde als Qualitätsmerkmal extra mehrmals
betont, welche Fackelträger dazwischen die Kunde von
Druidenmund zu Druidenohr vererbt haben. Oder wie man Adelstitel auf
irgendwelche berühmte Vorfahren zurückführt. Das sagte schon in früheren Zeiten wenig über die Qualitäten des Trägers aus ...
Danach nahm der Vortrag seinen erwarteten Verlauf, das heißt, es wurde erst
eine kleine Einführung in die Geschichte und die Grundlagen der
Homöopathie gegeben. Darin tauchte dann als Beispiel auf, dass eine
homöopathische Arzneimittelprüfung an Chinarinde die Symptome aus
Hahnemanns Chinarindenversuch zeigen würde. Auf den Hinweis, dass
Hahnemanns Versuch noch nie hätte erfolgreich wiederholt werden
konnte, erhielten wir zur Antwort, dass das eine Frage der Literatur
sei, die man dazu zu Rate zöge. Auf eine entsprechende Email wird er
uns diese Quelle nennen. (Wenn die Antwort vorliegt, werde ich diese
nachtragen).
Dann
wurden jede Menge Fallstudien vorgestellt, vielleicht 6 oder 8 Stück,
die alle einen guten Ausgang nahmen. Bis auf einen Fall, bei dem die
Krebserkrankung doch so weit fortgeschritten war, dass selbst die
homöopathische Behandlung nichts mehr ausrichten konnte. Aber
immerhin brachte sie doch deutliche Linderung der Beschwerden. Die
letzten Lebensmonate seien doch deutlich erleichtert worden, wie
einem im vollen Wortlaut verlesenen sehr emotionalen Dankesbrief der
Verwandten des Verstorbenen zu entnehmen war. Es gab sogar Fallstudien, bei denen die Patienten auf eine konventionelle medizinische Behandlung verzichtet hatten - trotz, wie er sagt, einer anderslautenden Empfehlung des Therapeuten.
Und
wie der Homöopath gekämpft hat! Mittel gesucht, ausprobiert, neu
gesucht, abgewartet, Entwicklung verfolgt, neue Repertorisierung - es
ging sehr schnell und war auch sicher nicht dafür gedacht, dass die
Zuhörer den Inhalt aufnahmen - der Eindruck, dass der Homöopath für
seine Patienten wirklich alles Menschenmögliche tut, war wohl das
Ziel. Es wimmelte von Fachausdrücken, die zwar meistens
übersetzt wurden, was aber wohl kaum haften blieb, wenn man nicht selbst von dem fraglichen Problem betroffen war. Lediglich, was 'miasmatisch' bedeutet, blieb der
Vortragende schuldig.
Soweit zu den Fallstudien, die als Diskussionsobjekt nicht allzu viel hergeben. Schließlich kann man nicht seriös und mit einer stichhaltigen Begründung die Angaben aus dem Vortrag anzweifeln.
Ja
und gegen Ende kam er dann auf die Studienlage zu sprechen - darüber kann man diskutieren.
Die
bekannte Rostock-Studie wurde zitiert (Link zur Studie). Allerdings ziemlich verfälscht. Es
wurde nicht erwähnt, dass die schicke und teure privat zu bezahlende homöopathische Privatklinik
am Lago Maggiore auch mit der Ortenauklinik in Offenburg, ein
ganz normalen Kreiskrankenhaus, verglichen wurde. Es hätten sich signifikante -
für die in Statistik nicht erfahrenen Zuhörer also große -
Vorteile für die Homöopathie in Überlebenszeit und Lebensqualität
ergeben. Und dass die Studie einen Forschungspreis erhalten hätte. Auch hätten die Patienten unter der homöopathischen Behandlung eine längere Überlebenszeit erreicht.
Unsererseits wurde dann
nachgehakt, dass die Rostock-Studie den angegebenen Forschungspreis
eben nicht erhalten hätte, dass diese Information schlicht und
einfach nicht stimmt. Auch waren die Vorteile der
Homöopathiepatienten gegenüber den konventionell behandelten
Patienten nicht so groß, wie es nach seiner Darstellung den Anschein
hatte, eher ziemlich unbedeutend, wenn man nicht wie die
Studienautoren Äpfel mit Birnen vergleicht, sondern dies sortenrein
tut. Die längere Überlebenszeit ist der Studie auch nicht zu entnehmen. Eine Auseinandersetzung mit der Studie selbst findet sich hier.
Es
wurde noch auf eine zweite Studie Bezug genommen, zu der ein anderer
Zuhörer Anmerkungen machte, die darauf hinausliefen, dass von dieser
Studie ebenfalls nur wenig zu halten ist. Hier wurden die
tatsächlichen Überlebenszeiten mit den von den behandelnden Ärzten
abgegebenen Prognosen verglichen. Prinzipiell gibt es da ja zwei
Aspekte, nämlich die Qualität der Behandlung und/oder die Qualität
der Prognose. Ich bin mal gespannt, wie in der Studie diese
Unterscheidung getroffen wird. Wenn mir diese Quelle im Volltext
vorliegt, werde ich mich damit auseinandersetzen und darüber in
meinem Blog berichten.
Dann
reagierte das Publikum langsam etwas säuerlich auf unsere andauernden Fragen. Die
Sympathien lagen bei dem Arzt, der so ungemein fesselnd darstellen
konnte, wie er mit dem Patienten zusammen um das richtige
homöopathische Mittel ringt, die Patienten in ihren schweren Leiden
empathisch begleitet, um jeden Einzelnen kämpft wie ein Löwe - und
dann kommt da so ein komischer Alter und versucht anscheinend diesen
netten selbstlosen Albert Schweitzer mit merkwürdigen Aussagen in
Verlegenheit zu bringen. Mehrfach. Nein, so ein böser Bube das aber auch.
Wie konnte der nur!
Die
Zuhörer wollten anscheinend gar nicht wissen, dass sie nur einseitig
und gelegentlich falsch informiert wurden! Der Arzt hat natürlich
nur positive Fallstudien aufgezählt - als wir fragten, ob denn alle
Patienten so profitieren, wie denn das Risiko wirklich aussieht,
wurde aus dem Publikum heraus gegengehalten. Die Standardargumente
zwar (böse Pharma, Nebenwirkungen oder Unwirksamkeit von
konventionellen Mitteln etc.), aber eben aus dem Publikum. Es ist wie
Edmund Berndt ('Der Pillendreh') richtig sagt: Der Scharlatan braucht sich gar nicht selbst
zu verteidigen, das tun schon seine Jünger für ihn. Wobei ich jetzt den vortragenden Arzt nicht als Scharlatan bezeichnen will, er ist sicherlich ernsthaft davon überzeugt, seinen Patienten mit der Homöopathie zu helfen - und sei es auch noch so unvereinbar mit seinen Kenntnissen der Pharmakologie und Physiologie.
Auf
dem Wege der Teilnahme an Vorträgen, um dann mit Wortmeldungen
Stellung zu beziehen , ist der Ausbreitung der Esoterik nicht
wirklich beizukommen.
Was die Zuhörer nicht erfuhren, war die Tatsache, dass homöopathische Medikamente keine nennenswerten Mengen an Wirkstoff enthalten, die allgemeinen angewandten besonders wirksamen 'Hochpotenzen' über D23, C12 oder Q5 rechnerisch noch nicht einmal mehr ein einziges Atom bzw. Molekül. Auch dass die Homöopathie durch die bekannten Naturgesetze widerlegt ist, wurde nicht ausgesagt. Somit fehlte jedwede Information zu einem Risiko, das sich aus der Unwirksamkeit der Medikamente ergeben könnte.
Zum
Abschluss ein paar Highlights:
Die
Einnahme eines homöopathischen Mittels in Q-Potenz ist für den
Patienten eine ziemlich komplizierte Sache. Q-Potenzen sind eine Form der Potenzierung, die sich Hahnemann erst im allerletzten Abschnitt seines Lebens ausgedacht hat.Dies wurde erst in derletzten Ausgabe des Organon der Heilkunst veröffentlicht, die lange nach seinem Tod erschien. Im Gegensatz zu den bekannten D- und C-Potenzen, bei denen die Lösung bei jedem Schritt im Verhältnis 1:10 und 1:100 verdünnt wird, arbeiten die Q-Potenzen mit Verdünnungsverhältnissen von 1:50.000. Der Patient muss ein Globulum in
einer braunen Glasflasche in einer bestimmten Menge Wasser (150 ml) auflösen,
soweit ich mich erinnere auch auf ein Kissen schlagen, dann einen
Plastiklöffel voll in einem vollen Wasserglas auflösen und davon
dann einen Schluck trinken - und den Rest wegschütten. Und, ob man
es glaubt oder nicht, der Arzt merkt, wenn dabei geschludert wird,
dann bleibt die Heilung nämlich aus. Sagt der Homöopath. Wehe, es
ist kein Plastiklöffel, oder die Flasche war nicht richtig verkorkt. Zumindest hat er immer, wenn es nicht so recht weiterging, einen solchen Fehler beim Patienten gefunden. Sagt er.
Ein
Zuhörer - offenbar selbst Heilpraktiker - schleuderte uns gegen Ende wütend
entgegen, die Homöopathie könne man garnicht empirisch überprüfen,
schließlich sei das ja eine 'Resonanz-Medizin'. Ich hätte noch fragen sollen, was denn in diesem Zusammenhang eine Resonanz sei und wer oder was da in Resonanz fällt. Aber da löste sich die Versammlung dann auf.
Nun ja, es ist viel zu tun...
Norbert Aust
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Die Skeptiker sind die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP). Skeptiker bemühen sich, Behauptungen kritisch zu hinterfragen und sie sind auch ein Gegenpol zu esoterisch-pseudowissenschaftlichen Geschäftsmodellen, die in unserer aufgeklärten Zeit stark auf den Markt drängen. Wir beschäftigen uns auch mit Verschwörungstheorien, mit Alternativ- und Pseudomedizin und mit vielen anderen Arten von kommerziell verwerteter Para- und Pseudowissenschaft. Die GWUP ist ein gemeinnütziger Verein und wir sehen uns selbst als ein Organ für Verbraucherschutz und Volksaufklärung.
Die Freiburger Skeptiker treffen sich meistens am dritten Donnerstag jedes Monats im Cafe Michelangelo, Sedanstrasse 8, um 18 Uhr.
Die Freiburger Skeptiker treffen sich meistens am dritten Donnerstag jedes Monats im Cafe Michelangelo, Sedanstrasse 8, um 18 Uhr.
Unser nächstes Treffen ist am Donnerstag, den 19. Mai 2016, um 18 Uhr.